Partnerschaftstour 2004 - 3. Reisebericht
Bueyuekcekmece begruesst Gelsenkirchener Radfahrer
Nach fast fuenf woechiger Radtour bin ich heute in unserer neuen tuerkischen Partnerstadt Bueyuekcekmece am Marmara Meer angekommen.
Mehr als 3600 Kilometer liegen nun hinter mir, nicht alle davon waren ein Vergnuegen. Vor allem die letzten drei Tage auf tuerkischem Boden fordern eine Menge Selbstdisziplin, denn ein stetig kraeftiger Ostwind blies mir entgegen, so dass ich nur die Haelfte meiner taeglichen Distanz radeln konnte und nun nach gut 70 KM schon total erschoepft in mein Zelt fiel.
Gestern am 19. Mai war Feiertag zu Ehren Attatuerks. Ueberall hingen tuerkische Fahnen und Portraits des ruhmreichen Staatsmannes der Tuerkei. Vormittags traten Delegationen aller Schulen mit taenzerischen und akrobatischen Formationen in den Sportstadien auf. Dazu erklang traditionelle Musik und viele Menschen besuchten diese Festveranstaltungen, doch aufgrund der Mittagshitze war ich froh nur als unbeteiligter Zuschauer auf der schattigen Tribuene zu sitzen. Gluecklicherweise hatte mich eine sehr gastfreundliche tuerkische Familie zu sich nach Hause eingeladen und fuehrte mich in der Kuestenstadt Silivri zu allen interessanten Plaetzen.
Der bisher schoenste Teil meiner Radreise waren die Fahrten durch enge Flusstaeler und Canyons in Bosnien, Serbien und Montenegro. Wilde Felskluften und steile Klippen durchbrochen von zahllosen kleinen Tunneln und Bruecken oberhalb der blauen Fluten brachten mir steile Anstiege und rasante Abfahrten und immer wieder freundliche Menschen, die mich mit allerelei Leckereien verwoehnten.
Die Verstaendigung mittels ein paar Brocken deutsch, englisch und serbisch, dazu der Einsatz von Haenden, Fuessen und Zeichenblock, fast wie beim Activity-Spiel, klappte ganz gut und reichte immer, um alles Wichtige zu klaeren.
Interessant war auch die Fahrt durch den Kosovo, waehrend die uebrigen ehemals jugoslawischen Staaten ihr eigenes traditionelles Gesicht bewahrt haben, versucht der Kosovo sich am amerikanischen Way of Live zu orientieren und so kommt es zu paradoxen Erlebnisse.
Da fahren albanische Bauern mit ihren Eselskarren Heu, Holz oder ihre ganze Familie durch Staedte wie Pristina und werden dabei von hupenden Polizeijeeps oder KFOR-Panzern ueberholt. Die Vorstaedten gleichen denen der USA mit vielen Tankstellen, Fast-Food-Restaurants und 24Stunden Shops. Irgendwie verrueckt. Ein alter Mazedonier in Skopje meinte nur: “Der Kosovo sieht aus wie Texas!”
In der mazedonischen Hauptstadt begleitete mich ein freundlicher Moslem durch die osmanische Altstadt. Bei tuerkischem Moka diskutierten wir ueber die Evolutionstheorie und besuchten danach die Mustafa Pahsa Moschee zum Nachmittagsgebet.
Waehrend das Leben in Griechenland fast wie daheim ablaeuft: Gut ausgebaute Strassen, Euro im Geldbeutel und das gleiche Warenangebot im Lidl wie in Gelsenkirchen, fasziniert die Tuerkei wieder mit ihrem orientalischen Zauber.
Der Gesang des Muezin, dazu das bunte Treiben auf dem Markt und viele staundende aber freundliche gruessende Gesichter sind Erlebnisse, die diese Radtour so spannend machen.
Von der Abfahrt aus unserer bosnischen Partnerstadt Zenica mit eigener Polizeieskorte bis zur Begruessung vom stellvertretenden Buergermeister hier in Bueyuekcekmece (der Buergermeister ist gerade auf einer Dienstreise) habe ich trotz der vielen Warnungen und Bedenken nur gute Erfahrungen mit den Menschen auf dem Balkan gemacht. Der Lebensstil als auch die oft faszinierende Natur, von schneebedeckten Berggipfeln bis zum glitzernden Marmara Meer, haben mich in ihren Bann gezogen.
Montag Frueh wird Michael in Istanbul einfliegen und dann werden wir den asiatischen Teil der Tuerkei entlang der Schwarzmeerkueste gemeinsam erradeln.
Doch nun heisst es erst einmal Bueyuekcekmece kennenlernen, das Kinderheim besuchen, Kontakte zu den Pfadfindern knuepfen und versuchen all die Erfahrungen zu verarbeiten und meinen Beine etwas Entspannung zu goennen.